"Der Tango wurde als populärer Tanz geboren.
Schon bevor man seine klanglichen Eigenschaften im eindringlichen Zweivierteltakt festlegte, gab es in Montevideo wie in Buenos Aires die Szenarien, von denen aus er zur Eroberung der Welt antrat: Zuerst waren da die Zimmer der Kasernenmädchen, Mitte des XIX. Jahrhunderts. Dort tanzte man Mazurkas, Walzer, Chotis und Danza Cubana 'auf französische Art'. In den Pausen erschienen Milongueros, Stehgreifdichter und Sänger vom Stadtrand. Die zu diesen Tänzen kamen 'gingen zur Milonga'.
die Payadores Gabino Ezeiza e Higinio Cazón
Dann gab es die Lokale in der Hafengegend, wo die Seeleute aus den Antillen ankamen, mit ihren Habaneras, die in ihrer afroamerikanischen Laszivität viel direkter waren als die 'Tänze auf Französisch'. Hier begann man die Choreographie mit "Corte y Quebrada" (typischen Bewegungen im Tango).
Tango 1935
Die ersten Tüftelecken, in denen man seine Choreographie destillierte, waren die Academias Montevideos und die Casas de Baile von Buenos Aires. In den Peringundines von Buenos Aires, den Nachfahren der 'Tanzhäuser', führt die italienische Immigration die Akordeone ein, und mit ihnen beginnt der Tango zu weinen und den Weg für die tränenreichen Texte zu bereiten.
Unterricht in Paris bei Bernabé Simarra 1914
Die nächste Etappe ist die massive Verbreitung.
Der wilde Tango der Academias und Peringundines, der bissige Tango des in virtuosen Schritten verzahnten Paares, beginnt sich zu domestizieren. Er wird ornamental, vergnügt, quasi für Unterrichtszwecke geeignet. Kurz, er vermasst.
Einmal sozialisiert, rückt der Tango unaufhaltsam vor. Er erobert die Familientänze der Innenhöfe und gelangte eines schönen Tages ins ausgeklügelte Ambiente des Cabarets.
im Racing Club 1932
Danach stürzt er wie ein entfesselter Stein zur Eroberung der Welt, springt von den Rändern des La Plata zum Trampolin Paris.
Zu Anfang und vor allem anderen war der Tango ein Tanz. Erst danach machte er Veränderungen zum Gesang durch, doch zu dem, was Gardel singt, kann keiner tanzen; dem Magier muss man mit dem Kinn auf die Faust gestützt zuhören, wenn sanfter Regen in den Straßen der Stadt und in der Erinnerung aufkommt..."
... schrieb der uruguayische Anthropologe Daniel Vidart über die Geschichte des Tango in: "El tango y su mundo." Tauro, Montevideo, 1967 (Übers.: A. Mága)